Festrede 2014: Dr. Thomas Rodenhausen

Dr. Thomas Rodenhausen ist Vorstandssprecher Harris Interactive AG. Er hielt die Festrede im Rahmen des Pharma Trend 2014.

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Vertrauen in die Marktforschung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zunächst einmal möchte ich mich im Namen der Harris Interactive für das Vertrauen bedanken, dass Sie Herr Dr. Jung in uns mit Ihrer Entscheidung gesetzt haben.

Vertrauen ist ein hohes Gut. Glücklich ist, wer einen Vertrauensvorschuss genießen darf – wie der Arzt und der Apotheker, die manchmal schon allein durch das Vertrauen des Patienten, kompetent behandelt zu werden, eine Wirkung erzielen können. Solches Vertrauen muss vorher erworben werden und es muss immer wieder gerechtfertigt werden. Der Placeboeffekt ist zwar der Beleg für das hohe Vertrauen, dass der Pharmazie und der Medizin entgegengebracht wird, nachhaltiges Vertrauen schafft aber nur erlebte Wirksamkeit. Und dieses Erleben findet statt, denn täglich, hundertausendfach allein in diesem Land haben Kranke und Leidende das Glück, dass mit einer hochwirksamen Behandlung Leiden gelindert oder sogar geheilt wird.

Auch in meiner Profession, der Marktforschung, ist Vertrauen die Grundlage für eine erfolgreiche Arbeit und zufriedene Klienten. Aber es fällt uns etwas schwerer, das Vertrauen zu rechtfertigen, die Güte unserer Arbeit erlebbar zu machen. Unsere Vorhersagen sind weit in die Zukunft gerichtet und sie sind immer an Bedingungen geknüpft, die der Marktforscher nicht kontrollieren kann. Auch wenn die Marktforschung einen unerfüllten Kundennutzen richtig erkannt hat, aus einer Vielzahl von Produktkonzepten das beste ausgewählt hat, eine trennscharfe Segmentierung erstellt wurde und die richtigen Werbemittel per Pretest angesetzt wurden, nützt es alles nicht, wenn am Werbebudget gespart wird und der Wettbewerber zur gleichen Zeit ein ähnliches Produkt lanciert.

Trotzdem: das Vertrauen in die Marktforschung ist groß. Das zeigt sich schlaglichtartig dann, wenn dieses Vertrauen enttäuscht oder sogar missbraucht wird. Ich will dies mit zwei aktuellen Beispielen belegen, die große Aufmerksamkeit in einer breiten Öffentlichkeit erfahren haben, ja geradezu skandalisiert wurden. Ich spreche hier von der manipulierten Wahl zum „beliebtesten Auto der Deutschen“ und den fingierten Beliebtheitsrankings im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Beim beliebtesten Auto der Deutschen handelte es sich um eine Leserwahl der Mitgliederzeitschrift „Motorwelt“. Wahrscheinlich ist bekannt, dass die Motorwelt mit einer Auflage von etwa 13 Mio Exemplaren die größte deutsche, ja sogar europäische Zeitschrift ist. Natürlich kommt diese Auflage nicht aufgrund individueller Kaufentscheidungen am Zeitungskiosk zustande, sondern die Zeitschrift ist ein fester Bestandteil der Mitgliedschaft. Umso peinlicher muss es dem Chefredakteur gewesen sein, dass nur wenige tausend Leser ein Votum zu der unter Autofahrern sicher nicht unbedeutenden Frage, welches denn nun das beliebteste Auto der Deutschen sei, abgeben wollten. Und so wurde die Teilnehmerzahl zunächst um den Faktor 10 nach oben korrigiert. Wie man im Kopf ausrechnen kann, allerdings ist das angesichts der vielen Nullen gar nicht so einfach, liegt der Befragungsrücklauf dann immer noch bei wenigen Promille – bzw. etwas über den in der Homöopathie üblichen Wirkstoffdosierungen. Und selbst wenn sich viel mehr Leser beteiligt hätten, wäre die Befragung angesichts der Selbstselektion, wie das bei Leserbefragungen übrigens regelmäßig der Fall ist nicht repräsentativ gewesen, schon gar nicht für die deutschen Autofahrer, sondern bestenfalls für die „Motorwelt“-Leser. Dass die Rangfolge dann auch noch fingiert wurde, macht die Sache nicht besser. Die Probleme, die Leserwahlen mit sich bringen, sind auch von Nichtmarktforschern leicht zu verstehen und das hätten auch die Hersteller wissen können, die sich danach distanziert haben, um nicht in den Strudel des Skandals gezogen zu werden. Ich bin sicher nicht der Richtige, um dem ADAC, insbesondere dem damaligen Verantwortlichen der Presseabteilung für seine Sünden Absolution zu erteilen, aber immerhin soviel: Bei dem lauten Getöse wurde völlig übertönt, wie sorgfältig der ADAC außerhalb seiner Presseabteilung eine Vielzahl von Daten – übrigens auch marktforscherische – erhebt und damit seinen Mitgliedern zu wohlinformierten Kaufentscheidungen verhilft und auch die Industrie mit diesem unersetzlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit unterstützt.

Dr. Thomas Rodenhausen hält die Festrede beim Pharma Trend 2014

Kurz nach diesen Vorgängen wurde übrigens eine weitere deutsche Vertrauensinstanz auffällig: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hatte bei „Deutschlands Besten“ geschummelt – unter anderem war Franz Beckenbauer vom wahren 31. Platz auf den neunten Rang emporgehoben worden. Auch wenn Kaiser Franz das sicher gar nicht nötig hat, bringt es dem Fernsehen natürlich Quote, wenn man über ihn als Prominenten berichten oder ihn sogar als Gast präsentieren kann. In der Folge kam dann ans Tageslicht, dass in vielen Kategorien praktisch gar keine Stimmen abgegeben worden waren.

Was können wir daraus lernen?

  1. Marktforschung bringt Aufmerksamkeit, weil die Öffentlichkeit – auch die Fachöffentlichkeit – von ihr eine ehrliche, präzise und nicht interessengeleitete Beschreibung der Welt erwartet. Die Beschreibung der Welt kann dabei übrigens durchaus auch Unterhaltungswert haben.
  2. Die Marktforschung als Branche und Profession genießt einen großen Vertrauensvorschuss, weil sie sich an strenge wissenschaftliche und ethische Kriterien gebunden hat. Anders als bei der Pharmazie ist es uns leider meistens nicht vergönnt, direkt nach unserem Treatment einen erlösten Leidenden zu sehen. Insbesondere bei Zukunftsprognosen kann es sehr lange dauern, bis sich die Richtigkeit unserer Aussagen bestätigt – oder auch nicht.
  3. Rankings erzielen eine hohe Aufmerksamkeit, weil in Ihnen die Wettbewerbsfähigkeit eines Produktes klar auf den Punkt gebracht wird und zwar aus der Perspektive derjenigen, die über den Erwerb und die Verwendung entscheiden.

Daraus folgt natürlich auch, dass das Vertrauen durch seriöses Arbeiten immer wieder gerechtfertigt werden muss. Um hier einem häufig verbreiteten Irrtum entgegenzutreten: Seriös und glaubwürdig heißt übrigens nicht, dass riesige Fallzahlen zu aussagekräftigen Erkenntnissen führen, auch wenn das gerade in der Presse immer wieder suggeriert wird. Es heißt, dass man zunächst sorgfältig festlegt, wer denn die Entscheider sind – egal, ob dies Konsumenten oder Ärzte sind – und dann dafür sorgt, dass jeder dieser Entscheider die Chance erhält, zu Wort zu kommen.

Das bedeutet auch, dass wir uns Gedanken darüber machen, auf welchem Wege wir mit den Befragten kommunizieren. Bis in die 80-er Jahre hinein galt das persönliche Interview von Angesicht  zu Angesicht oder die schriftliche Befragung als Königsweg der seriösen Datenerhebung. Abgelöst wurde sie von der telefonischen Befragung, damit war es leicht möglich, kostengünstig und repräsentativ zu befragen. Telefonbefragungen haben aber den Nachteil, dass der Befragte komplexere Fragen mit vielen Antwortoptionen nicht lesend nachverfolgen kann. Manchmal wird dann die Antwort häufiger gewählt, die zuerst oder zuletzt vom Interviewer vorgelesen wurde. Dazu kommt, dass man Telefonate terminieren muss – und wie viele aus eigener Erfahrung wissen, wird die Zeit für Telefonate immer knapper. Für die Marktforschung heißt das, die Antwortraten sinken und manche Menschen sind heutzutage gar nicht mehr per Festnetz erreichbar.

Seit etwa 15 Jahren haben sich deshalb Onlinebefragungen immer mehr durchgesetzt, die mehrere Vorzüge haben: Der Befragte kann sie beantworten, wenn er Zeit und Lust dazu hat; es muss kein Termin vereinbart werden. Gerade für vielbeschäftigte Ärzte ist das ein unschätzbarer Vorzug! Der Befragte bekommt die Fragen in einer computerprogrammierten Reihenfolge gestellt und kann doch alle Antwortoptionen ständig sehen – Antwortverzerrungen und Gedächtniseffekte werden so vermieden. Und schließlich lässt sich auch Bild- und Tonmaterial problemlos einbinden, was wiederum die Möglichkeiten einer realistischen Stimulusdarbietung erheblich erweitert.

Aus diesen Gründen haben wir uns auch beim Preis zur Goldenen Tablette für eine Online-Befragung entschieden.

Wir sind sicher, dass damit die innovativsten Pharmazieprodukte des Jahres 2014 die Aufmerksamkeit und Anerkennung erhalten, die sie in den Augen der Entscheider verdient haben!