Festrede 2015: Prof. Dr. Markus Renner

Markus Renner ist Mitinhaber der Unternehmensberatung Branding-Institute AG sowie Gastprofessor für Marketing und Reputation an der Henley Business School/University of Reading (England). Von 2009 bis 2011 promovierte er am wirtschaftspsychologischen Institut der Universität Basel (Schweiz) zum Thema „Einfluss der Reputation von Pharmaunternehmen auf deren Geschäftserfolg“. Außerdem ist er Mitgründer und Co-Chairman der International Brand & Reputation Community (INBREC), ein Austauschforum für Marken- und Reputationsverantwortliche von globalen Konzernen. Von 1999 bis 2008 war er verantwortlich für das Marken- und Reputationsmanagement von internationalen Konzernen, u.a. bei der Novartis AG in Basel.

Er hielt die Festrede im Rahmen des Pharma Trend 2015.

Der Einfluss von Vertrauen und Reputation auf den Geschäftserfolg von Pharmaunternehmen

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Ein renommierter Preis wie die „Goldene Tablette“ im Kreis von Innovatoren ist eine willkommene Gelegenheit einen Blick auf ein Themenfeld zu lenken, für das es vermeintlich keine oder kaum Benchmarks gibt: Vertrauen. Damit meine ich nicht etwa die letzten Privatgeheimnisse von Menschen. Sondern in der Summe handelt es sich um eine zentrale Frage von innovativen Unternehmen: Wenn wir Millionen oder Milliarden für Forschung und Entwicklung ausgeben – was müssen wir als Unternehmen tun, um das Vertrauen der Ärzte und letztlich auch der Patienten zu gewinnen, damit sie unsere Medikamente verschreiben, empfehlen beziehungsweise verordnungsgemäß anwenden?

Letztlich ist die Antwort eine Frage der Perspektive. Und – um es klar zu sagen – das ist keine philosophische Fragestellung. Sondern es geht darum, wie in den Unternehmen die Gelder investiert werden. Dieser Blickwinkel richtet sich nicht auf ein Entweder/Oder, sondern auf die Frage, wie zielführend die Schwerpunkte bei Investitionen gesetzt werden. Ich rede hier über Nuancen, die aber im harten, globalen Wettbewerb einen wesentlichen Unterschied ausmachen können.

Die Perspektive im Pharma-Marketing und -Vertrieb gilt traditionell dem Vertrauen ins Medikament: Hier dominiert die Sicht auf die Produkte. Es sind große, schlagkräftige Unternehmensbereiche, die selbstverständlich einen maßgeblichen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg haben. Deshalb dominiert diese Produkt-Perspektive in erheblichem Umfang die finanziellen Entscheidungen von Pharmaunternehmen.

Viel jünger ist der wissenschaftliche Blick auf die Verbindung von Reputation und Geschäftserfolg. In meiner Zeit als Verantwortlicher für die globale Unternehmensmarke und das Reputationsmanagement bei Novartis lautete die berechtigte Frage: Wieviel bringt es uns, wenn wir in die Unternehmensmarke investieren? Das war vor zehn Jahren.

Damals fehlten die Antworten. Daher befasse ich mich seit Mitte der Nuller Jahre auch wissenschaftlich intensiv mit dem Einfluss der Reputation von Pharmakonzernen auf deren Geschäftserfolg. Leider war das Thema bis dahin sowohl von theoretischer wie auch von empirischer Seite nur unzureichend beleuchtet worden. Inzwischen haben die Forschungsaktivitäten zugenommen, so dass heute einige methodisch fundierte Studien und Ergebnisse zum Pharmakontext vorliegen.

Im Folgenden möchte ich drei Kernthemen herausgreifen:

  1. Wie hängen Unternehmensreputation und Geschäftserfolg zusammen?
  2. Wie managt man Unternehmensreputation? Und:
  3. Welchen Einfluss haben Rankings und Awards auf die Unternehmensreputation?

Man kann beim ersten Thema auch grundsätzlicher fragen: Was bringt uns als Pharmaunternehmen der gute Ruf? Hängt unser Geschäftserfolg nicht erst einmal von unseren Produkten und unserer Innovationskraft ab?

Es ist schon richtig: Durch permanente Forschung kommen laufend neue verschreibungspflichtige Medikamente auf den Markt, die neue oder verbesserte Wirkstoffe enthalten. Für Patienten und die Ärzteschaft ist dies zunächst eine erfreuliche Nachricht. Und ebenso für Ihre Unternehmen, meine Damen und Herren: Erwirtschaften Sie doch den mit Abstand größten Teil Ihrer Umsätze und Gewinne mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

Aber Innovationen gerade in der pharmazeutischen Industrie treffen immer auch mit entscheidenden Fragezeichen auf die medizinische Praxis: Ist die neue Krebstherapie für meinen Patienten wirklich besser? Wenn ich das Medikament verschreibe: Wie hoch sind die Nebenwirkungen wirklich? Natürlich fragen sich das auch die Patienten – und sie fragen nicht nur ihren Arzt oder Apotheker, sondern auch Bekannte, Verwandte und selbstverständlich: Google – wo sie schnell bei Patientenorganisationen landen, die auf ihre jeweilige Krankheit spezialisiert sind.

Wie gerade Sie als Teilnehmer dieser Veranstaltung wissen, werden alle Arzneien vor Markteinführung nach strengen gesetzlichen Auflagen ausgiebig getestet und kontrolliert – aber ein Restrisiko von unverhältnismäßigen, manchmal tödlichen, Nebenwirkungen ist und bleibt immer vorhanden. Bei der Einnahme von Medikamenten befindet sich der Patient also in einer für ihn besonders risikoaffinen Situation. Dieses Risiko besprechen chronisch oder lebensbedrohlich Erkrankte in der Regel intensiv mit ihren Ärzten und zunehmend auch mit Mitgliedern der jeweiligen Patientenorganisationen. Dadurch wird das objektive Risiko jedoch nicht gemindert, sondern lediglich die subjektive Risikoeinschätzung an Experten delegiert, denen die Patienten in der Regel vertrauen.

Vertrauen ist laut Niklas Luhmann in risikobehafteten Situationen ein Entscheidungskriterium, welchem im Pharmakontext eine zentrale Bedeutung zukommt. Die Wissenschaft spricht daher bei Medikamenten auch von Vertrauensgütern. Vertrauensgüter sind Produkte und Leistungen, bei denen der Wert respektive Nutzen des Produkts vom Anwender weder ex ante noch ex post direkt beobachtbar ist, der Patient daher den Aussagen Dritter vertrauen muss.

Für Ärzte und vor allem für die Patienten selbst geht es hierbei um die fundamentale Frage des Risikos, also ob Medikamente erkrankte Patienten heilen, deren Krankheiten lindern beziehungsweise die Lebensumstände von chronisch Erkrankten verbessern. Oder eben unerwünschte und nicht kalkulierbare Neben- bzw. Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen eine Verschlechterung des Gesundheitszustands hervorrufen.

Eine solche Bewertung des Risikos hängt von der einschätzenden Person ab, unter anderem von ihren Erfahrungen, Persönlichkeitsmerkmalen, Zielen oder Einstellungen.

Solche Einstellungen lassen sich in einer Vielzahl von kognitiven und affektiven Tendenzen konkretisieren: Auf der negativen Seite stehen beispielsweise Vorurteile, auf der positiven Seite Wertschätzung und Vertrauen.

Prof. Dr. Renner hält die Festrede beim Pharma Trend 2015

Wie aber können Sie und Ihre Unternehmen das Vertrauen der Patienten gewinnen?

Die Kosten-/Nutzenabwägung verschreibungspflichtiger Medikamente ist ebenso anspruchsvoll wie komplex – und kann in der Regel nur von Experten vorgenommen werden. Sie als Produzenten und Anbieter sollten somit stark daran interessiert sein, dass Ärzte wie auch andere einflussreiche Expertengruppen, beispielsweise Patientenorganisationen, eine positive – vertrauensvolle – Einstellung Ihnen gegenüber aufweisen, um zu begünstigen, dass diese Ihre Medikamente verschreiben bzw. empfehlen, also in Ihrem Interesse handeln.

Zentrales Vehikel, Vertrauen Ihnen gegenüber auf- oder auszubauen, ist die Reputation Ihrer Unternehmen. Reputation – im Volksmund auch „das Ansehen“ oder der „gute Ruf“ genannt – ist vereinfacht gesagt nichts anderes als die Gesamtheit der Assoziationen und Einstellungen gegenüber einem Reputationsobjekt – also auch gegenüber Ihrem Unternehmen.

Und die Forschungsergebnisse zeigen deutlich: Wenn beispielsweise Ärzte und Patientenorganisationen positive Assoziationen mit einem Pharmaunternehmen verbinden, hat dies auch positive Auswirkungen auf deren Vertrauen und ihre Beurteilung der von diesen Unternehmen angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Nachweisbar steigert eine gute Unternehmensreputation das Verschreibungs- bzw. Empfehlungsverhalten von Ärzten respektive Patientenorganisationen gegenüber der jeweiligen Firma. Sie ist somit ein geschäftsrelevanter Vorteil im ständig wachsenden Wettbewerb.

Leider funktioniert dieser durch empirische Studien belegte Kausalzusammenhang nicht nur in die positive Richtung, sondern auch umgekehrt: Das Geschäftsergebnis leidet also messbar unter einer negativen Unternehmensreputation. Vorkommnisse wie die Todesfälle um den Cholesterinsenker Lipobay und das Schmerzmittel Vioxx sind nur zwei prominente Beispiele aus jüngerer Zeit, die Ihre Branche in Verruf gebracht und das Vertrauen von Konsumenten, Patienten und Ärzten in Pharmakonzerne nachhaltig erschüttert haben. Und die übrigens auch beiden Herstellerfirmen – Bayer und Merck – ökonomisch massiv geschadet haben!

Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass die nach außen gerichteten Marketingaktivitäten der Pharmaindustrie nach wie vor sehr stark auf die Produkte fokussiert sind – und im Gegensatz zu den hohen Aufwendungen für Marketing und Vertrieb verhältnismäßig wenige Ressourcen in vertrauensbildende Maßnahmen zur Steigerung der Unternehmensreputation investiert werden. Für mich ist dies jedoch kein Entweder/Oder, sondern beide Seiten – Produkt- und Unternehmensmarketing – sind zentral für den Geschäftserfolg und sollten daher koordiniert, professionell und systematisch bearbeitet werden.

Wie können Sie nun die eigene Unternehmensreputation managen?

Zwar lässt sich in den letzten Jahren beobachten, dass Pharmafirmen hinsichtlich ihrer Reputation professioneller arbeiten. Meine Erfahrung ist jedoch, dass der Großteil der Unternehmensleitungen – auch in anderen Branchen – zwar davon spricht, dass er das Vertrauen der Stakeholder gewinnen und die Reputation steigern will, aber leider oft nicht bereit oder in der Lage ist, die wichtigsten Voraussetzungen dafür zu erfüllen.

Zu diesen Voraussetzungen zählt, dass die jeweiligen Unternehmen:

  1. klar und nachvollziehbar definieren, was sie unter Vertrauen und Reputation für ihre Unternehmen verstehen;
  2. Vertrauen und Reputation bei den wichtigsten Stakeholdergruppen systematisch und regelmäßig messen; und
  3. aus den Erkenntnissen der regelmäßigen Messungen konkrete Verbesserungsziele ableiten, deren Erreichung Auswirkungen haben auf die Boni des gesamten Managements.

Gespanntes Publikum beim Pharma Trend 2015

Nun, jeder der in großen Unternehmen arbeitet, weiß, dass insbesondere Punkt drei – die Verknüpfung von Reputation und Boni – ein komplexes, langfristiges und oft mit erheblichen internen Widerständen versehenes Unterfangen ist. Immerhin: Es gibt mehr und mehr Firmen – auch in anderen reputationsabhängigen Branchen – die diesen Weg gehen bzw. erfolgreich daran arbeiten.

Dass aber auch die beiden anderen oben erläuterten Voraussetzungen – klare Definitionen und regelmäßige systematische Messungen – oft nicht erfüllt werden, ist vor dem oben dargestellten Zusammenhang von Unternehmensreputation und Geschäftserfolg meiner Meinung nach als unverständlich, wenn nicht gar fahrlässig zu bezeichnen.

Dabei wäre dies zu tun für die Unternehmen wahrlich keine „Rocket Science“, und in vielen Fällen wären nicht einmal erhebliche zusätzliche Ressourcen notwendig. Denn alle großen Unternehmen generieren Unmengen von Daten, sie geben ansehnliche Beträge für Marktforschung aus. Meist sind sie aber wenig aussagekräftig zur Bewertung der Unternehmensreputation.

Das liegt zum Teil daran, dass intern die Ziele nicht klar definiert sind oder den Unternehmen bzw. den beauftragten Marktforschungsinstituten das Know-how zu den entsprechenden Bewertungsmodellen der Reputationsanalyse fehlt, um Kausalzusammenhänge zu identifizieren und daraus entsprechende Empfehlungen respektive Entscheidungen abzuleiten. Denn systematisch wird dieses Spezialthema erst seit rund zehn Jahren erforscht. Aber es gibt bereits bemerkenswerte Erfahrungs- und Erkenntniszuwächse.

Was wäre also zu tun?

Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass die Reputation von Pharmaunternehmen nicht eindimensional ist, sondern dass sie sich aus verschiedenen Bausteinen oder auch „Reputationsdimensionen“ zusammensetzt. Diese sind jeweils die Wahrnehmungen und Einstellungen der jeweiligen Stakeholder gegenüber Pharmaunternehmen in Bezug auf:

  • Produkt- und Servicequalität,
  • Innovationskraft,
  • gesellschaftliche Verantwortung,
  • ethisches Geschäftsgebaren,
  • Managementqualität,
  • Transparenz,
  • Marketing- und Vertriebsqualität,
  • Arbeitgeberattraktivität sowie
  • den Geschäftserfolg.

Wahrscheinlich denken Sie jetzt: Die Themen decken wir in unserem Unternehmen ab. Innovationskraft ist die Angelegenheit von Forschung & Entwicklung, Arbeitgeberattraktivität macht HR, ethisches Geschäftsgebaren ist der Verantwortungsbereich von Compliance, usw…

Genau das verdeutlicht das grundlegende Problem: Das Aufteilen von Aktivitäten auf unterschiedliche Unternehmensbereiche führt selten zu einheitlichen Ergebnissen. Notwendig ist daher ein übergeordnetes systematisches Reputationsmanagement.

Was bedeutet nun dieser übergeordnete Ansatz für die oben genannten Reputationsdimensionen? Viele fühlen sich vertrauter mit den harten Themen wie „Geschäftserfolg“ und „Innovationskraft“ und fragen sich: Sind diese weichen Aspekte wie „gesellschaftliche Verantwortung“ oder „ethisches Geschäftsgebaren“ nicht überbewertet?

Die empirische Forschung hat inzwischen auch Antworten hierzu. Die Ergebnisse belegen, dass sich die Wichtigkeit dieser oben genannten „weichen“ und „harten“ Dimensionen für die Gesamtreputation – und damit auch für den Geschäftserfolg – von Stakeholdergruppe zu Stakeholdergruppe, aber auch von Markt zu Markt oder von einem Jahr auf das andere signifikant ändern kann.

Ferner hat sich gezeigt, dass zum Beispiel Ärzte in ein und demselben Land unterschiedliche Erwartungen an individuelle Unternehmen haben, das heißt: Während die wahrgenommene „Innovationskraft“ eines Unternehmens X der wesentliche Treiber für mehr Verschreibungen oder Empfehlungen ist, kann das perzipierte „ethische Geschäftsgebaren“ für Unternehmen Y zentral und für den Erfolg von Unternehmen Z wiederum bedeutungslos sein! Wahrnehmungen, Einstellungen und Erwartungen der Stakeholder gegenüber Pharmaunternehmen sind also nicht in Stein gemeißelt – vielmehr ändern sie sich im Zeitverlauf. Allein schon deshalb ist es sinnvoll, die eigene Reputation im Vergleich zum Wettbewerb regelmäßig zu messen.

Damit sind wir bei einem weiteren wesentlichen Punkt: Was messen wir genau? Nehmen wir das Beispiel „Produkt- und Servicequalität“: Wie sind die Faktoren für diese Reputationsdimension definiert? Und nicht zuletzt: WER definiert diese Faktoren?

Häufig werden sie unternehmensintern festgelegt. – Aber dieses Vorgehen kann zu falschen Ergebnissen führen! Wenn Sie messen wollen, wie die z.B. Ärzte Ihre Produkt- und Servicequalität wahrnehmen, sollten Sie Ihre Zielgruppe vor der eigentlichen Messung fragen, an welchen Kriterien diese das Thema Produkt- und Servicequalität festmacht.

Sie sehen, die Thematik Reputationsmanagement ist ein wenig komplexer und – im Wortsinn – mehrdimensionaler, als man sich das vielleicht auf den ersten Blick vorstellt oder gar wünscht. Aber – und dabei bleibe ich: Es ist keine „Rocket Science“, die Sie, mich und andere davon abhalten sollte, uns systematisch und dauerhaft mit dem Thema zu befassen. Richtig umgesetzt leistet das Messen und Managen der Unternehmensreputation einen zentralen Beitrag zum nachhaltigen Geschäftserfolg Ihrer Unternehmen.

Pharma Trend 2015: Prof. Dr. Renner hält die Festrede

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Beim Thema Messen und gemessen werden sind wir natürlich auch direkt bei der heutigen Verleihung der „Goldenen Tablette“ und der „Innovativsten Produkte“. Im abschließenden Teil meiner Ausführungen möchte ich deshalb noch kurz darauf eingehen, welchen Beitrag „Awards“ und „Rankings“ für den Aufbau und die Messung von Unternehmensreputation konkret leisten können.

Schneller! Höher! Weiter! Der Wettkampf liegt den Menschen anscheinend im Blut, und die eigene Stärke gilt erst dann wirklich etwas, wenn sie noch besser ist als die Stärken der Konkurrenz. Wie im Sport, so auch in der Wirtschaft: Ranglisten – sei es in Form von Awards oder Rankings – scheinen die Menschen zu beeindrucken. Und „glücklich“ sind die Unternehmen, die sich in einem der zahlreichen Rankings und Awards wiederfinden. Das poliert das Firmenimage und stärkt die eigene Position im Buhlen um die Kundschaft und die besten Talente von morgen. So der oberflächliche Blick. Die Wirklichkeit gestaltet sich aber auch hier ein wenig komplexer…

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich im Rahmen von wissenschaftlichen Marken- und Reputationsmessungen auch intensiv mit Rankings und Awards. Haben Sie gewusst, dass derzeit mehr als 500 Marken- und Reputationsrankings sowie über 5‘000 Awards weltweit regelmäßig veröffentlicht werden? Und dass nahezu jede Woche ein

neues hinzukommt? Einige dieser Rankings und Awards haben großen Einfluss darauf, wie Ihr Unternehmen von seinen wichtigsten Stakeholdern wahrgenommen wird. Aber bei weitem nicht alle!

Ob und – wenn ja – welchen Einfluss Rankings und Awards auf die Reputation Ihrer Unternehmen und Produkte haben, hängt meiner Erfahrung nach von folgenden Fragen ab:

  • Von welchen Institutionen und Medien werden sie erstellt bzw. veröffentlicht? Das heißt: Genießen diese Quellen eine hohe Glaubwürdigkeit sowie eine über einen langen Zeitraum gewachsene Reputation? Oder handelt es sich um unbekannte, eher zweifelhafte Autoren?
  • Kommen die Ergebnisse der Rankings und Awards bei den wichtigsten Stakeholdergruppen an und nehmen diese die zentralen Ergebnisse und Botschaften überhaupt in der notwendigen Intensität wahr? Oder tragen die Ergebnisse lediglich zur allgemeinen Reizüberflutung bei und versanden in der Bedeutungslosigkeit?
  • Werden die Rankings und Awards regelmäßig publiziert, so dass sie Vergleiche, Entwicklungen und Tendenzen über einen längeren Zeitraum zulassen? Oder handelt es sich um „Eintagsfliegen“, die einmalig viel Staub aufwirbeln – und dann nie wieder auftauchen?
  • Sind ihre Bemessungskriterien objektiv, transparent und nachvollziehbar? Oder ist selbst bei intensiver Suche nicht eindeutig erkennbar, nach welchen Kriterien die Gewinner und Verlierer ermittelt wurden?
  • Und schließlich: WER bestimmt über Top oder Flop? Das heißt: Werden die Gewinner auf Basis einer repräsentativen Umfrage bei relevanten Stakeholdern ermittelt – oder kommen sie auf Basis einer fragwürdigen Jury zustande, die das Ergebnis sozusagen im „stillen Kämmerlein ausheckt“?

Aufgrund meiner vorherigen Anmerkungen zum Thema Reputationsmessung wird es Sie nicht verwundern, dass ich den letztgenannten Punkt – Jury oder repräsentative Erhebung – für besonders wichtig erachte. Denn es gibt unzählige Awards und Rankings, bei denen eine oft kleine Anzahl von so gennannten „Fachjuroren“ sich anmaßt, für die Allgemeinheit oder bestimmte Gruppen – wie zum Beispiel Ärzte oder auch Verbraucher – zu sprechen bzw. zu urteilen. Nicht selten stehen dahinter nur allzu offensichtliche kommerzielle Interessen – und von Unabhängigkeit oder gar Objektivität kann dann leider keine Rede mehr sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich denke Sie alle stimmen mir zu, dass die gerade genannten zentralen Voraussetzungen bei den heute hier zu vergebenden Awards „Goldene Tablette“ und „Innovativste Produkte“ sehr gut erfüllt sind: Ein angesehenes Fachmedium – das „PharmaBarometer“– kürt seit nunmehr 16 Jahren regelmäßig die besten Unternehmen und Produkte auf Basis einer repräsentativen mehrdimensionalen Umfrage bei einer der wichtigsten Stakeholdergruppen von Pharmaunternehmen – den Ärzten. Es sind also Auszeichnungen, die wegen ihrer Aussagekraft über die Jahre eine hohe Reputation erworben haben. Dementsprechend bin ich der Einladung von Herrn Dr. Jung, diesen Vortrag zu halten, auch sehr gerne gefolgt.

In diesem Sinne bin ich gespannt auf die Verkündung der diesjährigen Ergebnisse und bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Die in dieser Rede angesprochenen Quellen sowie weiterführende Literatur finden Sie unter: Markus Renner: Generating Trust via Corporate Reputation –The Influence of Pharmaceutical Companies‘ Reputations on the Recommendation Behaviors of Physicians and Patient Organizations, wvb-Verlag Berlin, 2011